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Raumzeit Nr. 19 - 20. Dezember 2002 - Ralf Huwendiek

Ralf Huwendiek

Witzeausschneider, Gurkenfuchtler - eine Typologie in 42 Geschichten. Mit CD. Jungkunz - der Verlag. Fürth 2002

Ralf Huwendiek könnt ihr aus dem Radio kennen. Bei Bayern 2 ist er nächtens für die „Abenteuer des Alltags“ zuständig, Kult seit Jahren. Ralf Huwendiek könnt ihr auch von seiner Zusammenarbeit mit der Gruppe Feinton kennen und auch mit anderen Musikerinnen ist er schon aufgetreten. Irgendwann hat das alles in Nürnberg, der Stadt, in der Huwendiek lebt, mal jemand bemerkt. Da hat er dann einen Kulturpreis gekriegt (er nennt übrigens auch andere Literaturpreise sein eigen), und nun ist er endlich kein Geheimtipp mehr. Nur ein Buch hat es bislang nicht gegeben. Das ist nun anders. Ein kleiner Verlag in Fürth hat die Lücke klug erkannt und dankenswerterweise geschlossen. Da haben wir nun das Vergnügen - wenn der Oberbürgermeister als Johnny Depp aufwacht z.B. Oder wenn das Erzähler-Ich heroenhaft am nächtlichen U-Bahneingang auf den frauenverfolgenden Gurkenfuchtler lauert. Oder sich aus seiner Wohnung aussperrt, weil nur mal eine rauchen. Ich sag Euch, das kann unglaubliche Folgen haben. Auch für den Ich-Erzähler. Wir betreten Lottoläden, und vollziehen einmal mehr nach, was der besten Kaffee- oder Abendgesellschaft passiert, wenn das Gespräch auf Katzen oder Computermacken kommt. Gedichte am Telefon? Im Vergleich zu Marketingumfragen und Telefonverkaufsangeboten eigentlich kein Problem - oder doch? Hausstaubmilben eher schon. Klaviere manchmal. Und auch Käseliebhaber(innen). Ralf Huwendiek ist abgeklärt und abgründig zugleich, seine Gesellschaftskritik ist hintergründig, sein Witz klopft keine Schenkel, hinterlässt eher leises Nagen im Hirn. Oder ein wenig lächelnde Melancholie. Oder ein paar wirklich hübsche Ideen: Wie Stinken, wenn es einem oder einer stinkt: „Gibt es dann Stinkdemonstrationen? Grausige Vorstellung: Schweigend und stinken ziehen Tausende von Stinkern vorbei. Ein olfaktorischer Alptraum. Die Bevölkerung flieht. Die Polizei bekämpft den Zug mittels Deodorantwerfern.“ Könnte man gut finden. Wie die Polizisten, die den Alkoholgehalt der Autofahrenden nicht über Röhrchenwerte ermitteln, sondern über die Fähigkeit, einen Text vorzulesen. Oder die Kleinzüchtung der Neonazis - schließlich gibt es ja auch kleingezüchtete Pitbulls.... Nun, gut, sagt die Bekannte des Erzählers, Problemlösungen müssen sich irgendwie auch an der Realität orientieren. Ralf Huwendiek ist eben kein oberschlauer Gesellschaftskritiker. Er guckt sich nur alles genau an - und sich selbst gleich mit.

Die Geschichten sind zum Vorlesen geschrieben und machen den Leseprozess aufs erste unkompliziert. Wer selber mal so gar nicht lesen will, kann sich sechs der Geschichten auf der beigefügten CD anhören. Die anderen könnt ihr ja bei der nächsten Promillekontrolle mal der Polizei vorlesen!

Tine Plesch