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Zores: Musik abseits aller Hörgewohnheiten Jeden 1. Dienstag im Monat 21 - 24 Uhr bei Radio Z 95,8 MHz |
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The
Young Gods,
Appear Disappear Two
Gentlemen Rec., 2025 - 10 Songs, 44 Min. Seit
1985 gibt es die Young Gods, länger als ZORES. Ihr 13. Studioalbum
namens Appear Disappear hat es jetzt mit Wucht in diese verträumt-püschelige
Sendung geschafft. Es hat sich förmlich reingeboxt und gibt auch HörerIn
ordentlich auf die Lauscher. Franz
Treichler (Gesang & Gitarre), Cesare Pizzi (Sampling &
Elektronik) und Bernard Trontin (Schlagzeug) mögen
kalendarisch ältere
Herren sein, ihre Musik ist es nicht. Sie atmet den Geist unserer
Zeit, und der ist mindestens unruhig. Gitarrenlastiges
Drönen
trifft auf Industrialsounds und das in immer neuen Abstufungen.
Zusammengehalten von charismatischem Gesang variierten The Young Gods
dieses Konzept über
die langen Jahre ihrer Bandgeschichte immer neu, bis hin zu Ausflügen
zu Kurt Weill und Terry Riley. Und natürlich
standen die Swans nicht nur als Namensgeber immer im Hintergrund. Das
neue Album Appear Disappear folgt dieser Dramaturgie, wobei die
Gitarrensounds sich diesmal wieder stärker in den Vordergrund
schieben. Zugleich vibriert die Musik von einer untergründigen
Spannung, die sich im Flüstergesang von Franz Treichlers Stimme
zeigt. Auf englisch und französisch wird unsere Gegenwart verhandelt,
treten die Akteure auf die Bühne, die ihnen die Musik bereitet und
auch der Tod hat seinen Auftritt, denn Franz Treichlers Frau ist erst
vor wenigen Jahren gestorben. Luftige
Loops und rasante maschinelle Rhythmen prägen dieses neue Album der
Young Gods und machen es zu einer Art Konzentrat ihres bisherigen,
durchaus abwechslungsreichen Schaffens. Bedrängende Musik für bedrängende
Zeiten mit Anspielungen auf Dronenkriege und Überwachungsapparaturen.
Der Gesang verzichtet darauf, sich allzusehr in den Vordergrund zu drängen
und entfaltet trotzdem hypnotische Kraft. Kaum einmal wird eine
Atempause eingelegt, und auch das taugt. Etwas Rohes wollte die Band
erschaffen und das ist ihnen gelungen. Hier ist etwas in Bewegung
geraten und reisst jetzt alles mit. Freilich nicht nicht in blindwütigem
Furor, sondern muskulös und geschmeidig. Diese Musik wirkt wie ein Körper,
der den Einschlägen beinah elegant ausweicht. Und so mit dem Chaos
tanzt. Im
tanzenden Chaos tun The Young Gods ihr Bestes, und manchmal noch
besseres. Textbruchstücke, die doch trefflich zusammenfassen, was uns
diese Musik, dieses rasant rabiate Album bietet. Appear Disappear
zeigt die Band nicht nur auf der Höhe ihrer Zeit, sondern auch als
meisterliche Musiker. Anspieltipps:
Appear
Disappear,
Systemized, Hey Amour, Blackwater,
Mes Yeux De Tous Hans
Plesch für ZORES auf Radio
Z, 7.10.2025 Zeal
& Ardor,
Greif Zeal
& Ardor, 2024, 14 Songs, 42 Min. Den
Greif gibt es wirklich. In der Fantasie. Und die schafft ja Realitäten
unter anderem in der Kunst. In Basel, der Heimat von Manuel Gagneux,
erscheint er so auf einem Umzug, unter dem Schlagen von Trommeln. Manuel
Gagneux hat das Biest Zeal & Ardor erschaffen, die unheilige
Vereinigung von Black Music und Black Metal, das uns auch in ZORES
schon begleitet hat. Drei Vorgängeralben perfektionierten diese
brodelnde Melange nach allen Regeln der Kunst, aber mit diesem neuen
Album namens Greif erweitert die Band ihr musikalisches Spektrum. Und
ja, Zeal & Ardor ist jetzt eine Band und Greif durchaus ein
Gemeinschaftswerk. Natürlich ist die Geschichte damit nicht auserzählt.
Die Band will viel und schafft das, auch wenn sie manchmal womöglich
auf Abwege gerät. Aber das liegt sowieso im Ohr der Hörenden. Der
Albumtitel ist angelehnt an eine Baseler Tradition, den jährlichen
Umzug, bei dem ein mythisches Mischwesen, der Greif, als Symbol
für die arbeitende Bevölkerung durch die Straßen zieht und sich
gegen die mächtige Elite auflehnt. „Wir
finden, es ist eine lustige und kreative Art und Weise wie man die
Obrigkeiten kritisieren kann, ohne dass es allzu zerstörerisch
daherkommt“, begründet Gitarrist Tiziano Volante das
Thema des Albums.
Zugleich lässt sich der synthetische Fabelvogel prima als Sinnbild für
die vielfältige Musik sehen, die Zeal & Ardor sich hier ziemlich
ungeniert einverleiben. Damit wird für manch akustische Überraschung
gesorgt, aber das einschlägige Publikum ist ja bekannt für Freude an
Hörabenteuer... Finster
und böse präsentierten sich Manuel Gagneux und seine
MitstreiterInnen zuletzt, womöglich mit Schaum vor dem Mund. Über
die Tischsitten des Greifs ist mir wenig bekannt, allein es ist ein
majestätisches Wesen mit eigenem Recht. Und so findet sich auf einmal
a u c h sehr
Atmosphärisches, Stonerhaftes und Balladeskes auf diesem Album, das
seine Wurzeln allerdings nicht verleugnet. Ab und an zeigt er sich
noch, der Satan, beim Träumen. Lukas
Kurmann (b), Tiziano Volante (git), Marco von Allmen (dr) und Manuel
Gagneux haben mit Greif eine alles in allem angenehm düstere und
dunkelbunte Wundertüte abgeiefert. Sie checken ein bisschen aus, was
das enorme Potential von Zeal & Ardor ausmacht.
Manchmal kommt die Frage auf, ob das alles hier so sein muss.
Abschliessend lässt sich das mit einem Ja, warum nicht? beantworten.
Und auf die Zukunft will ich weiter gespannt sein. Anspieltipps:
Kilonova, Are You The Only One Now?, Disease, Solace, Hide In
Shade Hans
Plesch für ZORES auf Radio
Z, 7.10.2025 Margarita
Witch Cult, Strung
Out In Hell Heavy
Psych Sounds, 2025 - 9 Songs, 37 Min. Kerzen,
Sarg und blasses Gewürm:
Das ist nur das Nebenbei beim Albumcover von Margarita Witch Cult aus
Birmingham. Und lässt
einiges erwarten. Denn der Sarg wurde natürlich
ausgebuddelt (Musikhistorie!). Und der verschleierte Typ mit der
Schaufel in der Hand zeigt mit vier Armen, wo hier der Hammer hängt
- also genau genommen die Doppelaxt. Nämlich
gleich beim Narrenzepter. Und das gibt dann womöglich
doch zu denken. Strung
Out In Hell heisst das zweite Album des munter-überdrehten
Trios Margarita Witch Cult. Das einleitende Riff macht geradezu
penetrant klar, wohin die Reise gehen soll - auch wenn ein paar
nachgerade närrische
Überraschungen
am Weg liegen. Musikalisch ist das Ganze ein Wiedergänger:
Classic Rock, Stoner und Doom schütteln
die Matten am Wegrand und sorgen in umgekehrter Wagenreihung für
allerlei Abwechslung. Dazwischen schieben sich nachgerade generische
Riffs und erleichtern die Orientierung, bevor sich die HörerInnenschaft
in der Hölle
verläuft.
Schliesslich wollen wir alle mal zu unserem Sarg zurück. Scott
Abbott (Vocals & Guitars), James Brown (Bass, Vocals, Synth,
Mellotron, Guitars), George Caswell (Drums & Vocals) schmieden ein
heisses Eisen im Schattenreich. Und das ohne jede Eile, wie es sich
gebührt. Schliesslich hat, wer dorten schmort, jede Menge Zeit, sich
lavazähe Gitarrenriffs und schleppende drums zu Gemüte zu führen.
Vereint mit grimmigem Gesang. So
entwickelt sich, was eine langatmige Wiedererweckung blutiger Geister
hätte werden können, zu einem Zeitlupen-Feuerwerk mit einem gewissen
Kult-Charakter und ausreichend Abwechslung, um einschlägig veranlagte
HörerInnen in seien unheiligen Ban zu ziehen. Nach dem Durchhören
empfehle ich noch einen nächtlichen Abstecher ins Komm-Kino. Oder
eine weisse Hochzeit. Anspieltipps:
Crawl
Home To Your Coffin, Conquerer Worm, Witches
Candle, White Wedding, The
Fool, Who Put Bella In The Wych Elm Hans
Plesch für ZORES auf Radio
Z, 7.10.2025 Witch
Club Satan
(same) Lost
And Found Prod., 2024 - 12 Songs, 44 Min. Am 8. März erfolgte damals das Release des gleichbetitelten Debutalbums der norwegischen Witch Club Satan. Natürlich kein Zufall. 8. März ist Frauentag. Und die drei Musikerinnen begreifen sich als Feministinnen. Der 8. März erinnert immer auch an Ungleichheit und Ungerechtigkeit bis zur Unterdrückung. Die Performance von Witch Club Satan könnte dazu dienen, diese Machenschaften auszutreiben. Die Konzerte sind offenbar voll und womöglich liegt das nicht nur an der prägnanten Musik. Denn sie bedienen sich dazu eines Genres, das sehr von Männern geprägt wurde, bei dem Misogynie und Schlimmeres nicht so fern liegt, aber auch eine Art Befreiung gefeiert wird: Black Metal. Witch Club Satan fackeln allerdings keine Kirchen ab, sondern das Patriarchat. Das
norwegische Black‑Metal‑Trio
besteht aus Nikoline Spjelkavik (Gitarre & Gesang), Victoria
Fredrikke Schou Røising (Bass & Gesang) und Johanna
Holt Kleive (Schlagzeug & Gesang). Ja, vielleicht hat die
Umgebung sie zu der Musik inspiriert, die sie jetzt präsentieren,
vielleicht hat sie auch der Widerspruch gereizt, der damit verbunden
ist. Obwohl in letzter Zeit immer mehr Frauen sich das Genre metal
auch in dieser besonders finsteren Spielart aneignen. Witch
Club Satan haben zwar Einiges an Musik vorgelegt, allerdings sind sie
ein bisschen mehr als nur
eine weitere all female metal band. Es gibt da einen
Theater-Background und 2022 reifte der Entschluss, etwas auf die Bühne
zu bringen, das in ein sehr klassisches Black Metal Gewand gekleidet
ist, inklusive Corpspaint, Blut und (selbstermächtigter) Nacktheit.
Damit sind wir auch schon in den Kontroversen, denn alles Vorgestellte
kann auch anders, womöglich gegenteilig gelesen werden. Zumal die
Musik zwar als Mittel zum Zweck natürlich sehr präsent ist, aber
eben auch nicht unbedingt neu. Respektive Originell. Jedenfalls was
den BM Anteil angeht. Der lehnt sich geschmeidig an die
Errungenschaften des Norwegen der 1990er an, soweit das Wort
geschmeidig hier am Platz ist. Das heisst, es ist rau, rabiat und krätzig,
was auch den Gesang dazu beschreibt, der sich die Attribute Keifen und
Fauchen verdient. Das hat zwar einigen hohen Unterhaltungswert, ist
aber für sich unspektakulär. Witch
Club Satan sind somit ohne ihre quasi magischen live-Auftritte und
ihre Inhalte als feministisches Projekt nicht völlig zu fassen.
Letztere spiegeln sich in den Songs zwischen Menstruation,
Ungebundenheit und Mutterschaft recht deutlich wieder. Für die
maskuliner gelesene Hörerschaft gibts das Leckerchen Black Metal is
Krig, immerhin. Ein Blick auf die bösen Wurzeln, bevor sie
ausgerissen werden. Das haben sie sich nämlich verdient. Anspieltipps:
Fresh Blood, Fresh Pussy, Black Metal is Krig, Mother Sea, Hex, I Was
Made By Fire, Salvation Hans
Plesch für ZORES auf Radio
Z, 7.10.2025 Faetooth,
Labyrinthine Flenser,
2025 - 10 Songs, 54 Min. Die
Zahnfee ist in jungen Jahren eine gern gesehene Besucherin. Von der
Beschaffenheit von Feenzähnen vermag ich dagegen nichts zu berichten.
Die Stellung dieser Wesen ist ja auch nicht eindeutig. Von daher ist
es durchaus möglich, dass sich Feenzähne weniger spitz als vielmehr
drückend in dein und mein Gemüt verbeissen. Nachzuhören ist das
jedenfalls auf dem zweiten Album des aus Los Angeles stammenden Trios
Faetooth. Es heisst Labyrinthine. Düster
gloosend setzt sich die Doom-Maschinerie in Bewegung. Der Weg durchs
Labyrinth führt konsequent nach Innen. Geleitet von Shoegaze und
Sludge beschwören Ari May (voc/git), Janna Garcia (b/voc) und Rah
Kanan (dr) ihre spezielle Mixtur aus Wucht und Mystik. In einem Garten
von sich verzweigenden Pfaden kann jeder die Übersicht verlieren. Den
drei Musikerinnen bleibt die Macht ihrer intensiven, bedrängenden
Musik. Trauer, Erinnerungen und Ungewissenheit begleiten den Weg und
die Lösung liegt womöglich darin, sich immer weiter zu verlieren. Um
sich am Ende doch zu finden. Fairy
Doom haben Faetooth ihr Genre genannt. Eine Verbindung zwischen Flüchtigem,
Ungewissen und geerdeter Wucht. Eine Verbindung von Innenschau und
Klangwand, von Monumentalem und Fragilem, das manchmal nur durch einen
Schrei verbunden gehalten werden kann. Das ab und an abhebt, um sich
selber wie von oben nachzuhören. Es sind Rufe, die die Verbindung
halten. Oder auch nicht. Faetooth´ Musik vereint Traum und Trauma,
aber wir machen keinen Sieger aus. Musik
ist eine Möglichkeit, selber zu heilen. Am Besten werden andere auf
diesem Weg mitgenommen. Hier biegt die Band unerschrocken ab auf dem
dornigen Pfad der Selbsterkundung auf verschlungenen Wegen. Was im
Inneren eines Labyrinths wartet, ist überliefert. jedenfalls so ungefähr.
Es gleicht ja kein Labyrinth dem anderen. Manch Labyrinth ist womöglich
nur eine Spielerei. Das gilt für die schimmernden Klangwände, die
Faetooth hier um sich errichten, sicher nicht. Aber was hier im
Inneren auf uns wartet, das ist auch kein Monster. Es ist das Unaufgelöste
aus deinem, meinem Inneren.
Anspieltipps:
Death of Day, Hole, White Noise, Meet Your Maker Hans
Plesch für ZORES auf Radio
Z, 7.10.2025 u
n d Tara
Nome Doyle,
Ekko - Fat Cat Rec., 2025 Das
Wort Konzeptalbum ist bei Tara Nome Doyle vielleicht zu hochgegriffen,
aber einen roten Faden spinnt sie doch gern um ihre ebenso farbige wie
reduzierte Musik. Die Nymphe Echo musste Worte wiederholen, so wie KünstlerInnen
nicht ohne Bezug auf ältere eigene und fremde Ideen auskommen.
Narziss dagegen, und da ist die Parallele eventuell noch
einleuchtender, ist ganz in sich selber gefangen. Um diese und andere
Ideen von Schönheit spannt das Album einen betörenden und eher
zarten Bogen. Herman
Düne,
Odysseús - BB Island, 2025 Die
Heimfahrt des Odysseus dauerte bekanntlich länger als geplant und ähnlich
erging es Herman Dune während Corona. Davon inspiriert und von der
Begegnung mit dem Produzenten David Gazra beflügelt legt er nun sein
ca. 16. Album vor, das sofort die Wärme eines knisternden Feuers
verbreitet. Die Songs kreisen zwischen (Anti)folk, waldschratigen
Americana und Veranda-Singalong und zeigen immer wieder Dunes Händchen
für ausgefeilte Arrangements und einleuchtende Melodien. |