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Zores: Musik abseits aller Hörgewohnheiten Jeden 1. Dienstag im Monat 21 - 24 Uhr bei Radio Z 95,8 MHz |
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Lucrecia
Dalt, a
danger to ourselves rvng
intl, 2025 - 13 tracks, 44 Min. Sie
zeigt uns Zähne, kraftvolle Zähne. Wucherndes schwarzes Haar
verdeckt ihre Augen, fällt bis übers Kinn. Wir dürfen uns beim
schwarzweissen cover ein wenig an einen japanischen Horrorfilm
erinnert fühlen oder an sein US-amerikanisches Remake. Passenderweise
hat Lucrecia Dalt auch schon Musik fürs Horrorgenre komponiert. Aber
darum geht es in ihrem neuen Album gar nicht. Auch wenn der Titel
darauf hinzudeuten scheint: A Danger To Ourselves. Eine Gefahr für
uns selbst. Aber dann geht es doch vor allem um Beziehungen und Gefühle,
verpackt in leicht sperrige Popsongs und eher diskret hypnotisch
vorgetragen von der kolumbianischen Sängerin und Klangingenieurin.
Also doch ein bisschen Schrecken? Es bleibt in der Schwebe. Und das
gilt es auszuhalten. Was bei dieser Musik dann so schwer nicht fällt.
A
Danger To Ourselves heisst das aktuelle Album der vielseitigen
Lucrecia Dalt. Beteiligt an ihm waren ua David
Sylvian, die Synthpop-Legende (Japan) als Sänger, Musiker und
Produzent. Aus einem Song mit seiner Beteiligung stammt denn auch der
Albumtitel, der aber gar nicht mal so viel über die Songs verrät,
die Lucrecia Dalt zu Alex Lázaros Räume
eröffnendem Schlagzeug zelebriert. Menschliche Gefühle, menschliche
Beziehungen, ihre Möglichkeiten und ihre Abgründe liefern den Stoff,
aus dem Dalt ihre Lieder schöpft. Bei aller innewohnenden Dramatik
bleiben sie aber wie hinter einem Schleier. Und behalten damit den
Rest ihrer Geheimnisse. Denn völlig entzifferbar ist selten, was uns
umtreibt. Lucrecia
Dalts A Danger To Ourselves ist ein Songalbum, aber kein geradliniges.
Rhythmen purzeln immer wieder durcheinander. Zu verwirrend der
Widerstreit der Gefühle, die Qualität der Emotionen. Die Gefahr
liegt in uns selber, das ist schon klar. Es ist nicht gut, den
Endorphinen freien Lauf zu lassen, das verrät die Musik mit
geschmeidiger, trügerischer, Eleganz. Und zugleich wird all das
aufgefangen von einer träumerischen, verhangenen Atmosphäre und
diesen verschleppten Rhythmen. Dies ist ein Traum, aber er kratzt
schon sehr an der Oberfläche des Wachzustands. Was ist denn schon
hinter dem Glas? Ein Spiegel? Oder ein Fenster?
Anspieltipps:
cosa
rara, caes,
hasta el final, the common reader, covenstead
blues Hans
Plesch für ZORES auf Radio
Z, 2.12.2025 Sudan
Archives,
The BPM Stones
Throw Rec, 2025 - 15 Songs, 52 Min. Superheldinnen
sind rar. Schon gar die ohne übernatürliche Kräfte, solche, die auf
überlegene technische Ausrüstung für ihre Tätigkeit angewiesen
sind. Brittney Denise Parks ist im Bereich der Musik eine davon. Denn
sie hat ihre Geige. Und ein grosses Bewustsein für Musikgeschichte.
Die bei ihr nicht irgendwie bleiern theoretisch einherkommt, sondern
extrem tanzbar. Und zum Mitsummen, mindestens. The BPM heisst denn
auch das aktuelle, dritte Album von Sudan Archives. Und von ihrer
Stimme wäre ohnehin noch zu sprechen, die kraftvollen Soulgesang und
Rap nebst manch anderen Stimmlagen vereint.
The
BPM heisst das neue Album von Sudan Archives. Und es reisst Horizonte
auf. Es wippt mit einem Fuss in der Vergangenheit schwarzer Dance
Music und hat doch die Ohren auf die Zukunft gerichtet, auf einen
futuristischen melting pot aus Soulgesang, Rap und Klängen jenseits
der Gegenwart. Die Künstlerin erfindet sich da folgerichtig neu als
gadget girl, in dem Technoides und pulsierend Menschliches zu einer
musikalischen Superkraft verschmelzen. Die das Album zum Leuchten
bringt. Sudan
Archives Musik auf The BPM ist Beides: Eine Verbeugung vor der
Vergangenheit, verkörpert in der Geschichte ihrer Eltern, der
Schwarzen Musik aus Detroit und Chicago, die der Dance Music Form und
Gestalt gegeben hat. Und zugleich eine Reise in eine schon auch
hyperkomplexe Zukunft, in ein mash up von Schwarzen Styles und Genres,
die die Bezeichnung Post-R´n´B nahelegt. Den roten oder eher
Schwarzen Faden zieht das sehr spezielle Instrument der Musikerin, die
Geige, deren Spiel sich Brittney Denise Parks schon früh beigebracht
hat. Und damit blitzen unversehens Folk-feelings im perlenden
musikalischen Sud auf, während das ebenfalls mitwirkende Schwarze
Kammermusik-Ensemble D-Composed für eher filigrane Klänge sorgt. The BPM zeigt Sudan Archives als musikalische Superheldin, als mit technischen Mitteln der Zeit souverän agierendes gadget girl, das sich freilich, wie in manchen comics auch, familiärem Beistand versichert. Von dieser Art Homebase aus startet Sudan Archives dann in ihre grandiosen musikalischen Abenteuer, ohne sich gross um Begrenzungen zu scheren. Der Vergleich mit Janelle Monáe ist kaum zu hoch gegriffen. Waren schon die beiden ersten Alben von Sudan Archives beglückend, so klingt The BPM leichtfüssig wie die grosszügige Einlösung eines wohlüberlegten Versprechens. Anspieltipps:
Yea Yea Yea, She´ s Got Pain, David & Goliath, A Computer Love,
Ms. Pac Man, Noire Hans
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Z, 2.12.2025 Rare
Spam,
Double Pleasure Mangel,
2025, 12 Songs, 35 Min. Der
Co-Pilot weiss Bescheid. Rare Spam sind eine Art Punk Band aus
Montreal, die Postpunk und experimentellen Pop aufs ohrenfreundlichste
verschmilzt. Somit ein doppeltes Vergnügen, was den Titel des beim
Berliner Label Mangel herausgekommenen Albums aufs Trefflichste erklärt:
Double Pleasure nämlich. Viel
mehr ist über die Band Rare Spam auch dem Internet nicht zu
entlocken. Seis drum, es zählt die Kunst, nicht der oder die Künstler*in.
Und in der Tat, das perlt schön in die Gehörgänge. Ein Händchen für
wunderleicht windschiefe Melodien ist Rare Spam nicht abzusprechen und
damit stehen sie schon mal in der besten Tradition von für mich nicht
totzukriegendem Postpunk. Ohne Schnörkel, sparsam instrumentiert,
aufs Wesentliche reduziert hören wir auf Double Pleasure beinah eingängige
Songs, denen der gewisse Hauch von Pop-Appeal prima steht. Dazu drängelt
der nimmermüde Bass. Anstrengungslos,
schlaksig und ungezwungen cool klingen die beiläufig vorgetragenen
Songs. Auch hier: Verzicht auf dicke Hose, hohles Pathos und in Kajal
ertränkte Melancholie. Ja, wo stünden wir ohne unsere Lethargie. Womöglich
auch nicht höher auf der Karriereleiter, aber mit definitiv weniger
Coolness. Spam
hat inzwischen einen schlechten Ruf. Er breitet sich ja auch ungeniert
aus, quillt durch jede Ritze, drängelt in jedes Postfach. Verstopft
als Weihnachtslied getarnt die Ohren.
Dabei war er früher vor allem pikant und schmackhaft. Es ist
schon eine Herausforderung, sich dem zu stellen. Feiner Spam ist
selten. Aber es gibt sie noch, die guten Dinge. Rare Spam beweisen
das, lecker und eingängig (auf die schöne schräge Tour). Anspieltipps:
At War With I, O Where Would I Be Without Lethargy?, Signature´s
Wack. Thirst For Light, Freight Train Dance
Hans
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Z, 2.12.2025 NYOS,
Growl
Pelagic
Rec., 2025 - 9 tracks, 47 Min. NYOS
sind ja seit einiger Weile gern gesehene Gäste in Nürnberg und da
konnte ich mich schon von den eminenten live-Qualitäten des
britisch-finnischen Duos überzeugen. Die spannende Frage lautet dann
oft: Bringts das auch auf Platte (resp. CD)? Die Antwort lautet
durchaus JA und zeigt sich in bestechender Form auch auf dem aktuellen
Album namens Growl. Das die Musiker durchaus als Schritt nach vorn
gewichtet sehen wollen. NYOS
sind der Gitarrist Tom Brooke und Schlagzeuger Tuomas Kainulainen.
Beides extrem gewitzte Musiker und das ist bei dem Sound, den NYOS
produzieren, definitiv von Vorteil. Auf der Basis von Loops wird stets
höchst überraschende musikalische Recherchearbeit betrieben. Was
sich jetzt sehr technisch und gar Math-Rock-imprägniert anhört,
erstreckt sich aber mit spielerischer Intensität und Leidenschaft über
den gesamten Bereich rockigen Gelärms. Zwischen Prog und Postrock, drönendem
Doom, minimalistischen Ruhezonen und irrem Gefrickel wird sich alles
einverleibt, was nicht rechtzeitig in Deckung gegangen ist. Das Cover
mit dem Bild aus der namibischen Wüste verrät aber, das hier nicht
viel Deckung bleibt. NYOS´ Growl ist allerdings vieles, nur kaum
Desertrock. Auch wenn manchmal die Klänge flirren wie vor Hitze. Und
einge Songtitel Lokalkolorit andeuten.
Seit
ungefähr 10 Jahren sind NYOS jetzt unterwegs. Growl ist ein Album
geworden, auf dem sie souverän, aber nie routiniert mit den Mitteln
hantieren, die ihre trotz aller Wendungen sonderbar unmittelbare Musik
ausmacht. Es ist ein grosses Hörvergnügen, in dieses wirbelnde
Klangbad einzutauchen und etwas von der rastlosen Energie mitzunehmen,
die dieses fabulöse Duo scheinbar ohne grosse Anstrengung freisetzt.
Manchmal scheint das rasend überdrehte Klangaggregat den
Beiden sogar um die Ohren zu fliegen, aber keine Sorge: Das ist alles
nur gespielt. Anspieltipps:
Superstar, Lézard Rouge, Pepe-Pepe, L04
Hans
Plesch für ZORES auf Radio
Z, 2.12.2025 Krautfuzz
Live at The Church Fünfte Veröffentlichung des Schmelztigels der gegenwärtigen und etablierten Psychedelic-Kraut-Noise Szene Deutschlands! Krautfuzz liefert ein intensives Psychedelic Noise Fest mit Gitarrenlegende J Mascis von Dinosaur Jr. als Gast! Was
mit gelegentlichen Studiosessions Ende 2022 begann, hat bisher zu 5
regulären
krautfuzz-Veröffentlichungen
und einigen Live-Shows geführt,
die ein begeistertes Publikum zurückließen.
Die Impro-Band krautfuzz mit Imari Kokubo am Schlagzeug, Dirk
Dresselhaus an der Gitarre und gelegentlichem Gesang und Derek Shirley
am Bass ist geprägt
von einer kantig-futuristischen Spannung, die von fuzzigem
Neo-Psych-Rock, abstraktem, stark bearbeitetem Minimalismus bis hin zu
reinem Noise reicht. Für
ihre Live-Shows lädt
die Band in der Regel Überraschungsgäste
mit unterschiedlichem musikalischem Hintergrund ein, um
energiegeladene, dynamische und zeitüberschreitende
Musik zu spielen. Gegründet Ende 2022, ist KRAUTFUZZ ein kreatives Projekt von drei Musikern, die wissen, wie man Klänge erschaffen kann. Schlagzeugerin Imari Kokubo ist das Herz der Band. Manchmal zurückhaltend, manchmal explosiv, aber immer da, um die Energie zu halten. Sie bringt eine meditative Schwere ins Spiel. Gitarrist und Teilzeitsänger Dirk Dresselhaus, einer von Schneider TM, faust oder Angel, mischt dazu kosmischen Jazz, Rock und avantgardistische Klänge. Seine Gitarrensounds bauen sich wie Mauern auf, unterbrochen von verzerrtem Feedback. Seine Stimme ist dagegen eher ein Ruf aus einer fernen Welt. Und Bassist Derek Shirley ist der tiefdröhnende Grundton der Band, sein Bass ist kraftvoll und manchmal kaum hörbar. Er ist ein Meister des tiefen Spektrums, zwischen Jazz-Gefühl und schwerer Musik. Frederikke
Hoffmeier (Puce Mary), The
Girl OONA
Rec., 2025 - 13 tracks, 37 Min. Frederikke
Hoffmeier hat sich als Puce Mary einen Ruf in der Szene rabiater
Elektronik erarbeitet. Hier gilt es, sie als Filmkomponistin zu würdigen.
Nun, Magnus von Horns The Girl with the
Needle ist schon einmal alles andere als ein Wohlfühlfilm. Die
Nadel dient als Instrument zur Abtreibung nach einer ungewollten
Schwangerschaft, aber auch die eröffnete Alternative zeigt
Bedenklichkeiten. Das Ganze in Schwarzweiss angelehnt an eine wahren
Begebenheit in Dänemark nach dem 1. Weltkrieg liefert die Vorlage zu
Hoffmeiers unseren Gefühlen unangenehm auf die Haut rückende Musik.
Die deshalb auch schon Preise erhielt. Die Frage ist nun: Geht es auch
ohne den Film? Manchmal
wird ein Album ja als Film bezeichnet, hier hat Frederikke Hoffmeier
wiederum eine Filmmusik vorgelegt, die ein unangenehmes Geschehen in Töne
setzt. Dazu braucht es nicht unbedingt Brachialität, sondern mehr so
ein unangenehmes Kribbeln, eingebettet in trügerische Harmonien. So
etwa vollzieht sich hier der Einstieg, der allerlei Erwartungen offen
lässt. Und doch schon ein wenig frösteln lässt. Hoffmeisters
Musik zu The Girl hat etwas von einem Kammerspiel. Es wird viel
angedeutet, was dann eine Wendung nimmt. Es muss ja nicht gleich etwas
sehr Schlimmes sein, nur eine Andeutung, ein Verdacht. Wir ahnen, was
wir doch so gar nicht zu hören kriegen. Darin liegt schon mal
Hoffmeiers Kunst, Spannung aufzubauen. Und uns darin, heimtückisch
heiter, gefangen zu halten. Bis die Blase platzt. Mit
dieser Filmmusik zeigt Frederikke Hoffmeier, wie adäquat sie auch mit
organischen Klängen umgehen kann. Eine einschüchternde Atmosphäre lässt
sich auch mit subtilen Mitteln erzeugen, der Horror kriecht dann eben
schleichend in den Kopf. Und dann wird die Schraube doch ein wenig
direkter angesetzt, die Klänge driften ins Geräuschhafte. Aber nur
ein bisschen. Denn hierliegt die Kunst nicht in der Übertreibung.
Sondern indem das Level des Schreckens langsam hochgefahren wird. Und
am Ende ists zu spät, um noch rauszukommen. Anspieltipps:
Ganz oder gar nicht... Hans
Plesch für ZORES auf Radio
Z, 2.12.2025 Kerala
Dust,
An Echo of Love - Play It Again Sam, 2025 Begonnen
hatte alles als ziemlich elektronisches Projekt um Sänger Edmund
Kenny und Gitarrist Lawrence Howarth.. Bei Album Nr. 3 ist daraus eine
lakonische Band mit Tim Gardner (kb) und Pascal Karrier (dr) geworden.
Sie spielen sehr schöne, angenehm ins Ohr gehende Songs über Wandel
und Veränderung. Beats und Loops treffen dabei auf organische
Americana Sounds und haben dabei Leonard Cohens „How The Light Gets
In“ im Sinn. Q
Lazzarus,
Goodbye Horses - Sacred Bones Rec., 2025
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