FRAUENMUSIKSYMPOSIUM
HAMBURG 1999 – MUSIKERINNEN & ÖFFENTLICHKEIT MUSIKJOURNALISMUS:
ROCK SHE WRITES
WIE
KÖNNEN JOURNALISTINNEN ZU EINER SELBSVERSTÄNDLICHKEIT VON MUSIKERINNEN
IN DEN MEDIEN BEITRAGEN?
WIE
KÖNNEN FORDERUNGEN NACH EINEM MUSIKJOURNALISMUS, DER DIE KÜNSTLERISCHE
LEISTUNG IN DEN VORDERGRUND STELLT, IN DIE PRAXIS UMGESETZT WERDEN? Zwei
Fragestellungen werden uns zu Beginn dieses Symposiums beschäftigen,
die auf den ersten Blick ganz einfache Antworten implizieren. Ich hab es mir etwas schwerer gemacht und gehe im folgenden auf Strukturen ein, die den Themenbereich Musik kennzeichnen, befasse mich ansatzweise mit dem Arbeitsumfeld einer Musikjournalistin – das sich je nach Medium unterschiedlich darstellt -, benenne einige Behinderungsstrategien, denen die meisten Journalistinnen immer wieder begegnen, um zum Schluss Möglichkeiten anderer Schreibweisen aufzuzeigen und zumindest ansatzweise die Praxisfrage zu stellen, die sich für mich auch darum dreht, ob Frauen sich in bestehende Strukturen einmischen sollen und sie verändern oder sich eigene schaffen sollten. Danach hoffe ich auf eine lebhafte Diskussion. „in
the beginning....“ die sozialisation (jungswelt
musik, kanon, sammelwut, fachgespräche) Wer sich über den Normalkonsum hinaus mit Musik befasst, wird schnell feststellen, dass es – egal in welcher Musiksparte – eine Art Kanon gibt, in dem die Musikstücke versammelt sind, die bedeutend und interessant sind. Natürlich ist es unerlässlich, diese Musik zu kennen, um mitreden zu können und fast ebenso natürlich sind - die hier Anwesenden wird es nicht wundern - , in diesem Kanon hauptsächlich männliche Mitmenschen mit ihren Kompositionen anzutreffen. Musikmachen,
Plattensammeln und endlose Fachgespräche dienen zunächst in der Pubertät
zur Ich-Identitätsbildung von jungen Männern, die kein Interesse oder
keine Fähigkeiten auf anderen, üblicherweise als maskulin definierten
Gebieten haben. Musik – zuweilen ja auch als schöngeistige und damit
eher weibliche Angelegenheit betrachtet - mutiert so zur Männersache,
aus der die Frauen unbedingt herausgehalten werden müssen: sonst gehen
ja die sorgsam konstruierten Geschlechtsunterschiede vollends verloren.
Aus Sammelleidenschaft und Expertentum entsteht der erwähnte
musikalische Kanon sowie das jeweils durch eine bestimmte Gruppe und
ihre jeweilige musikalische Leidenschaft bestimmte Totschlagargument
„gute Musik“ – um die geht es im Zweifelsfall immer und damit wird
generell gerechtfertigt, dass Musikerinnen nicht auf der Liste der
wichtigen Werke zu finden sind: Es war ja keine Absicht – es ging ja
um gute Musik. Männer basteln sich so eine Männergeschichte, in der
Frauen nur vorkommen, wenn ihr Erfolg nicht zu übersehen ist (Tina
Turner, Mary J. Blige) oder wenn sie sich zusätzlich geschickt dem
Arsenal des patriarchalen Kapitales entlehnter Geschäfts- und
Ausbeutungsmethoden bedient haben (Madonna) oder sie einer angesagten
Clique zuzuordnen sind (Luscious Jackson). Der sich als alternativ, industrie- und kapitalfern sowie politische definierenden Musikexperte verhält sich leider kaum anders – höchstens funktionieren die Abgrenzungsmechanismen noch subtiler. Gerade hier konstituiert sich das Kenner-Ich über schwer zugängliches Detailwissen: tausend Mailorder und immer noch ein Kleinstlabel mehr, in meist homosozial geprägten Umgebungen wie Übungsräumen, Konzertkneipen oder zu kleinen Plattenarchiven alternativer Rundfunkstationen liebevoll diskutiert, suggerieren effektvoll, dass das richtige Wissen eine unendliche Geschichte ist. Wer hier nicht mitreden oder mitbluffen kann,
findet schwer den Weg hinein: denn der Kandidat/die Kandidatin mit dem
punktuellen Wissen wird erstmal ignoriert. Wer sich den nötigen Raum
nicht nimmt, sieht sich schnell ausgebootet: Neben dem undefinierten
„Wissen“ zählt auch die Fähigkeit draufzureden zu können. Diese Neigung zu monologisch-monumentalen Fachgesprächen,
manchmal in kaum nachvollziehbarem Expertenjargon, dieses Herauskehren
des eigenen, letztlich auch nur begrenzten Spezialistentums langweilt
einerseits und schreckt ab, da das eigene Wissen allzu gering erscheint
und die ungute Ahnung aufkommt, nie genug wissen zu können. Gleichfalls
wenig verlockend wirkt auf einige Frauen das stundenlange Herumwühlen
in Plattenläden auf der Suche nach den richtigen Scheiben – v.a. wenn
Frauen sich dann auch noch vom Verkäufer sagen lassen müssen, dass sie
gerade die falschen kaufen. Drei Behinderungsstrategien lassen sich hier ausmachen: Expertengespräche, Grossmäuligkeit, Besserwisserei sozialisation
II: geschichtslosigkeit, selbstausschluss, ich kann nicht (ich will gar
nicht?) Die Sozialisation junger Frauen in die Musik
erfolgt so meist über Objekt- und Konsumentinnen-Rollen in den
verschiedenen Variationen als begehrtes oder gehasstes Liebesobjekt in
Songs, als Tänzerin vor der Bühne, als Sexobjekt/Groupie bei
Konzerten, als Fan, allenfalls als Sängerin im Sinne von Interpretin
– nicht als Fachperson, nicht als aktive Teilnehmerin auf der Bühne.
(SG., 39-41) Diese Perspektiven der jungen Frauen werden in der
Musikdiskussion nicht ernstgenommen, weder als Themen an sich, noch in
ihren frauenspezifischen
Implikationen. Es mangelt also auch an Vorbildern und es mangelt an einer kontinuierlich dokumentierten Geschichte von Frauen in der Musik. Der Kanon müsste gründlich umgeschrieben werden, um den Eindruck zu vermeiden, dass Musikerinnen und Musikjournalistinnen das Rad immer wieder neu erfinden müssten (S. SG. 3) – nicht von ungefähr wurde z.B. in fast der gesamten riot grrl –Diskussion vergessen, auf die feministisch-lesbisch-autonomen Strukturen zurückzuverweisen, die sich Frauen in den 70ern geschaffen haben. (Siehe auch zu einem ganz anderen Thema Intro 9/99, S.24: Anlässlich des einer Besprechung Elektronika-Samplers „Female of the Species“ rollt die Musikerin Barbara Morgenstern den Katalog der Fragestellungen zum Thema Frauen und Musik auf; Redakteurin Anne Gerling such Erklärungen für die Unterrepräsentation der Frauen in der elektronischen Musik) Auch Frauen im Musikjournalismus wissen wenig voneinander, können sich kaum aufeinander beziehen. Für die USA hat das von Ann Powers und Evelyn McDonnell herausgegebene Buch „Rock She Wrote“ einen Ansatzpunkt geschaffen – für die BRD müsste hier noch Pionierinnenarbeit geleistet werden. Frauen, die sich mit Musik befassen wollen, sehen sich schnell als Einzelkämpferinnen, die sich erstmal Zugang zum Wissenskanon der Männer erobern müssen, um mitreden zu können, um in Folge eigene Schwerpunkte setzen zu können. (Hier spielen freilich auch andere Sozialisationsaspekte eine Rolle: Erziehung zum Selbstbewusstsein, Weiblichkeitsbilder in der Gesellschaft etc., anderer Konformitätsdruck durch kommerzialisierte Teenagekultur) Wenn Musik von Anfang an als Jungsbereich erscheint, führt das dazu, dass er von Mädchen als „nicht so wichtig“ bewertet wird bzw. als Spezialgebiet, von dem Mädchen nichts verstehen, aber glauben, dass sie etwas davon verstehen müssten. Der Satz, den ich in zehn Jahren Radiomachen immer wieder von Frauen gehört habe, die ich zum Mitmachen bewegen wollte war: „Ich verstehe nichts von Musik.“ Dieselben Frauen verstanden durchaus etwas von Politik, Gewerkschaften, der französischen Revolution usf. – Dokumentiert sich hier einerseits eine gerade bei Frauen häufig auftretende Unsicherheit, die sich oft als „Ich kann nicht“ äußert, so ist andererseits auch festzustellen, dass Musik ihnen z.T. als gar nicht wichtig oder interessant, als nicht politisch/feministisch genug erschien, um sich damit näher zu befassen. Oder aber, sie sitzen, wie die von mir gern und oft zitierte Barbara Kirchner das formuliert hat „dem Mythos auf, dass Auskennen entsprechend der Quantität der in ihren Datenbanken und Plattensammlungen vertretenen einzelnen Digits geeicht wäre. Damit akzeptieren sie den Unsinn, der aus der symbiotischen Beziehung von Stückzahl-Absatz-Interesse der Plattenindustrie und analfixiertem Psychodreck (post)pubertärer Jungs entstanden ist.“ Praxis 1:
eigene Strukturen, Separationsstrategien (draussen) Das führt dazu, dass unwidersprochen von sogenannten Musikpäpsten die Rede gehen kann, die den Wissenstand ihrer jeweiligen peer-group weiterverbreiten. So konstituiert sich Musikgeschichte als Männergeschichte ungehindert weiter, kann die Kritik am Zuwenig der Musikerinnen (oder an den immergleichen sexistischen Formulierungen) immer abgebügelt werden mit dem zweitbeliebtesten Totschlagargument: es gibt doch auch sowenig Musikjournalistinnen! Als erkläre sich so das anscheinend geringe Interesse von Frauen an Musik, als leite sich daraus ab, dass nur Frauen den Mangel an Musikerinnen in den Medien beheben könnten. Dies kann aber dazu führen, dass Musikerin wie Journalistin in den Bereich der Marginalie relegiert werden. Versuche, durch Diskussionen festgefahrene Ansichten über Musikerinnen, Feminimus und Ungerechtigkeit zu ändern, sind anstrengend, manchmal allerdings lohnenswert. Genau hier stellt sich die Machtfrage, auch in Form einer Definitionsfrage: Wer hat die Macht, über Medieninhalte zu
bestimmen, wer definiert, was gut, wichtig, ein Thema ist – und nicht
zuletzt: nach welchen Kriterien wird definiert? Eine Möglichkeit, alles anders aufzuziehen, ist das Schaffen von eigenen Strukturen (SG. 218/19). Zwei Beispiele: In den 70ern versuchten Frauen, eine „weibliche“ Musik zu definieren, sowie ein Musikgeschehen mit neuen und anderen Regeln: als Absage an alles, was an Rockmusik männlich konnotiert war. Kollektivität und Basisdemokratie spielten eine wichtige Rolle, Hierarchien und individualisierter Wettbewerb wurden abgelehnt. In den USA ist dadurch sogar eine eigene Musikkategorie entstanden, z.T. mit eigenen Abteilungen in bestimmten Plattengeschäften: Womyn´s Music hiess das, heute firmiert es wohl eher unter Lesbian Music. Ein daraus entstandenes immer wiederkehrendes in der eigenen Szene vieldiskutiertes Ereignis ist z.B. das Michigan Womyn´s Music Festival – die quasi nichtkommerzielle Variante von Lilith Fair. Natürlich hat sich auch diese Bewegung ihre eigenen Ausschlusskriterien formuliert und natürlich hat sie nicht alle Frauen unter den Hut einer eigenen „Frauenmusik“ und eines einheitlichen Feminimus gebracht. (Ich denke, es ist auch unsinnig, das zu erwarten und zu verlangen und wir kämen viel weiter, wenn wir das immer berücksichtigen würden.) Erfolgreich aber weithin unbekannt ist diese Bewegung Womyn´s Music gescheitert an der allzu engen Definition für eine „weibliche Musik“ – etwas, das es m.e. ohnehin nicht gibt sowie an der immer mit Berührungsängsten verbundenen Assoziationskette: Frau-feministisch-lesbisch. An diesem Anspruch einer „weiblichen Musik“ sowie am eher sozialpädagogischen Workshop-Image (Frauen können das auch lernen, guckt mal, Frauen können das!) hat sich letztlich auch die Melodiva / vormals Rundbrief „Frauen machen Musik e.V.“ die Zähne ausgebissen. Mal abgesehen von den bei kleinen Zeitschriften üblichen ungenügenden Bekanntheitsgrad und Vertriebsproblemen ist weder Frau-Sein, noch für nicht näher definierte Musikerinnen da zu sein, ein Programm: zumindest nicht, wenn es unkritisch, unpolitisch und in der Schreibweise undifferenziert dargeboten wird. Trotz des beachtlichen Versuchs in den letzten Ausgaben, das Ruder herumzureissen, (themenzentriertes Arbeiten, Diskussionen aufgreifen), schrammt die Melodiva weiter hart an interessanten und vielleicht interessierten Szenen vorbei und tendiert nach wie vor dazu, Frauen über „Erfolg“ sichbar zu machen. Letztendlich liegt die Schwächen der genannten Projekte aber daran, dass ein Teil des anvisierten Publikums gar nicht erreicht wird. Nämlich all jene, die auch in anderen Strukturen und Musiken zuhause sind, jene, die mit dem etwas hausbackenen Feminismus nichts zu tun haben wollen, der Frauen für egal welche Aktivität lobt, sowie jene, die Feminismus mit Separatismus und einengender, humorloser, politischer Korrektheit gleichsetzen. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt auch
der Coolness-Faktor, der sich letztendlich aus Synergien verschiedener
Szenen und Moden untereinander errechnet, aber immer auch ein recht flüchtiger
Emotionswert bleibt. Da aber Feminismus derzeit gerade einen gewissen Coolness-Faktor entwickelt, der an bestimmten diskursiven und musikalischen Entwicklungen ablesbar ist, stellt sich die Frage, ob das nicht zu nutzen ist und zwar fernab der alten „Frauenräume=Freiräume=Schutzräume“-Vorstellungen. Praxis II: in den Strukturen
Die Strukturen sind von Männern dominiert, egal, ob Print, TV, oder Radio, egal ob kommerziell, alternativ oder öffentlich-rechtlich. Die Interessen können sehr unterschiedlich sein: Bei kommerziell orientierten Medien wird die „Story“ im Mittelpunkt stehen: Kriterien wie „neu, aufsehenerregend, auflagensteigernd“ werden eine Rolle spielen, ein Aufhänger wird gebraucht. Für den Aha-Effekt wird sicher auch mal glattgebügelt bzw. werden beispielsweise persönliche Aspekte überbetont. Die eher meist konventionelle LeserInnenschicht sowie die WerbekundInnen sollen nicht irritiert werden. Schwierig ist es mit Sicherheit da, wo Musik nur ein Teil des Kulturteils ist. (Allgmeine Tages- und Wochenzeitungen) Eine journalistische Ausbildung oder eine bestimmte
Art und Weise, das journalistische Handwerk zu beherrschen, wird meist
vorausgesetzt: d.h. Schreiben unterliegt bestimmten Rahmenvorgaben.
Freie MitarbeiterInnen haben allerdings nicht immer die Chance,
dazuzulernen. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk/TV setzt sich
mittlerweile einem ähnlichen Erfolgs- und Anpassungsdruck aus wie
kommerzielles Radio – so oder so stehen auch hier die imaginären
meist eher konservativen Mehrheiten im Mittelpunkt; nur kann und muss
sich der öff.rechtl.-Rundfunk noch ein paar Spielwiesen und Feigenblätter
leisten: schliesslich ist er ja für Programmvielfalt zuständig. Möglichkeiten
sind da und hängen wahrscheinlich auch von internen
Gestaltungsstrukturen ab. Ausbildung ist Voraussetzung; schon für ein
Praktikum ist Erfahrung vonnöten. Musikzeitschriften wie auch alternative Radiostationen bieten auf den ersten Blick die grössten Möglichkeiten zur Einmischung, bezahlen am schlechtesten bis überhaupt nicht (was allein auf die Dauer entmutigen kann), behindern am subtilsten und lassen gleichzeitig die grössten Freiräume. Formale Ausbildung ist nicht erforderlich, dafür Engagement und die Bereitschaft sich selbst viel anzueignen. Inhalte und Methoden lassen Subjektivität zu; Einarbeitung findet oft nicht systematisch statt, Interessen, Kenntnisse, Fähigkeiten werden daher oft nicht richtig gefördert. Zunutze machen kann sich Frau hier allerdings die grundsätzlich linke Einstellung dieser Medien, die ihnen verbietet, sich allzu offensichtlich gegen feministische Forderungen zu stellen. Das funktioniert u.U. in Radios wegen ihrer breitgefächerten Strukturen besser als in Zeitschriften, die oft per Zielgruppendefinition und eigenem Anspruch recht geschlossene Systeme sind. Manchmal haben jedoch alle gerade auf dich gewartet und auf dein Spezialistinnentum: Hier könnte auch gegengehalten werden, dass sich die Männer endlich mal selbst kümmern sollen – auch um Frauenthemen; dennoch: ich hielte es für einen Fehler, den Männern das Feld zu überlassen. Praxis III: Handwerkliches
Die Antwort auf die eingangs gestellten Fragen (wie
beitragen) ist natürlich ganz einfach: mehr schreiben! Dafür muss natürlich
auch der Blick geschärft werden, damit ich die Künstlerinnen überhaupt
erstmal wahrnehme: ein bisschen Jägerinnen- und Sammlerinneninstinkt
ist als Grundvoraussetzung schon vonnöten. Aber deshalb darf die
angehende Musikjournalistin nicht meinen, sie müsste eine wandelnde
Diskographie sein – viel wichtiger als „Wissen“ ist, dass sie
etwas zu sagen hat und schreiben kann. Egal ob in oder ausserhalb der bestehenden Strukturen: die Wahrnehmung der LeserInnen oder HörerInnen kann ja schon über das Schreiben selbst verändert werden. In diesem eher handwerklichen Sinne hatte ich bereits vergangenes Jahr ein paar Prämissen formuliert, die ich nochmal kurz wiederhole: 1) Berichte über Musikerinnen sollten frei sein von Sexismen. Auch Aussehen ist keine musikalische Kategorie. 2) Geschlecht ist ein soziales Konstrukt und unterliegt jeweils bestimmten Zuschreibungen mit unterschiedlich hierarchisierten Bewertungen. Überkommene und in den Sprachgebrauch eingeschliffene Zuweisungen sollten vermieden werden. 3) Sachlichkeit ist nicht so schwer und erweckt wunderbar den Eindruck von Selbstverständlichkeit. 4) Das Kleingedruckte auf dem Plattencover; das Cover selbst, die Kontrolle der Künstlerin über die Musik/Produktion, die Texte, die erkennbaren Arbeits- und Rezeptionsbedingungen können ruhig mitgenannt/untersucht werden. 5) Das Einbeziehen von Politik und Unterhaltung, Feminismus und Spezialistentum – d.h. Offenheit für verschiedene Szenen, „Investition in alle Arten von rebellischem Wissen“ (Ellen Willis) 6) Barbara Kirchner (spex, de:bug) nennt eine weitere unverzichtbare Grundregel: „Wenn Du etwas durch ein Zitat aus bereits Veröffentlichtem belegen willst, sieh immer erst nach, ob eine Frau was dazu gesagt hat und zitiere eifrig.“
Weitere Schreibstrategien wie z.B. der Verzicht auf unverständlichen, allzu insiderhaften Jargon, oder der Verzicht auf Vergleiche mit anderen Bands, das Einnehmen eines radikal subjektiven Standpunkts, das genaue Hinsehen und Beschreiben von dem was passiert etcpp können in dem bereits erwähnten Buch „Rock She Wrote“ nachgelesen werden. Notwendig ist m.E. auch immer wieder das
Hinterfragen der eigenen Methoden – muss ich wirklich immer eigens und
extra betonen, dass hier eine frau zugange ist bzw. dass sie ihre Songs
selber schreibt - , genauso wie evtl. gern und unbedacht verwendete
Begriffe wie „Frauenband“ einer Diskussion oder Revision bedürfen Bevor wir uns übrigens zuguterletzt noch an alten Dogmen abarbeiten: wie z.B. „Frauen und Männer sind doch gleich! Werden Frauen nicht wieder zur Extrakategorie, wenn ich sie extra behandele?“ möchte ich nochmal auf Barbara Kirchner verweisen, die das Messen mit mehrerlei Mass geradezu als Pflicht im Pop-Diskurs bezeichnet – sei doch das eine Mass, das hegemoniale Prinzip immer durch den vieltausendjährigen Normmenschen bestimmt. (Und der ist uns allen bekannt....) Die Zitate von Barbara Kirchner stammen aus persönlicher
Kommunikation. Bibliographie: Bosma
Hannah. Gender and Electronic
Music. http://www.comatonse.com/listening/bosam2.html Bosma
Hannah. Who Makes Electronic
Music? Vocalists, Composers, Gender and Electronic Music Technology. http://www.switch.sjsu.edu/switch/sound/articles/bosma1.html Frith
Simon/Goodwin Andrew eds. On
Records. Rock, Pop and the Written Word. Routledge, 1990, 1996 Darin
u.a.Frith S./McRobbie Angela, Rock
and Sexuality - Sue Wise, Sexing
Elvis – Sheryl Garrat, Teenage
Dreams – Mavis Bayton, How
Women Become Musicians - Angela McRobbie, Settling
Acoounts with Subcultures: A Feminist Critique u.vieles interessante
mehr zu Frauen, Männern und Musik Gaar
Gillian. She´s A Rebel: The
History of Women in Rock & Roll, Seattle, 1992, Seal Press Gerling Anne. Wo sind die Frauen? Morgenstern Barbara. Rezension
„Female of the Species“ in: Intro – Musik und so, #67, 9-99 Khan Sarah. Gogo-Girl. Rowohlt Tb., Hamburg, 1999 Kirchner Barbara. Tampons
für Männer. Spex, 3/98 Kirchner Barbara. Geschlechterinformatik.
Electronic Music und Schwanzverlängerung durch
Sound. Spex-Beilage
Steirischer Herbst, S.23 in: Spex, 9/98 McDonnell,
Evelyn/Powers, Ann eds. Rock She
Wrote, New York, 1995, Delta Books Whiteley
Sheila ed. Sexing the Groove: Popular Music And Gender,
London, 1997, Routledge (im Text als SG abgekürzt)
Willis Ellen. Beginning To See The
Light. Sex, Hope, and Rock-and-Roll. University Press of
New England. London. 1992
(Enthält Artikel der Village Voice Journalistin aus
den Jahren 67-82, die auch 2000 noch lesenswert sind!)
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