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Riot Grrrl

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Carl-Ludwig Reichert, Folk

Testcard #16 Extremismus

Moderne Nazis

Bildverbot

Brüste kriegen

 

Katja Peglow/Jonas Engelmann (Hg.), Riot Grrrl Revisited. Geschichte und Gegenwart einer feministischen Bewegung                                                                                 

Ventil Verlag, 2011 - 198 S., illustriert, € 16,90

Willkommen zur Rückschau auf immerhin 20 Jahre Riot Grrrl. War da was? Ausser einem legendenumwobenen Medienboykott? Und hat das für heute überhaupt Bedeutung?

Die HerausgeberInnen des Buchs Riot Grrrl Revisited sind Katja Peglow, Kulturwissenschaftlerin und Journalistin in Essen und Jonas Engelmann, Literaturwissenschaftler und Testcard Herausgeber aus Mainz. Ausser den beiden kommen im Buch zu Wort Beteiligte von damals und Bewegte von heute.

Somit ist klar: Es wirkt weiter, wenn auch verändert. Bemerkenswertes Beispiel sind nach wie vor die Ladyfeste. Auch in Nürnberg gab es ein grossartiges, mit enorm viel Aufwand aller Beteiligten auf die Beine gestelltes Ladyfest.  2011 gabs Feste ua in Darmstadt, Leipzig, Münster u. Rostock. Andererseits stehen bei den Pop/Rock-Grossereignissen, den Festivals, Gradmessern von Erfolg und Aufmerksamkeit. nach wie vor reichlich wenig Frauen auf der Bühne. Ok, The Gossip, Warpaint, Ellen Alien oder Janelle Monae. Geschenkt, das ist vor allem Kommerz und  bewusstseinsvernebelnder Bullshit, wo sich junge Menschen beiderlei Geschlechts um einen Alkausschank mit bezeichnendem Namen drängen. Egal, ein paar davon sind vielleicht trotzdem für Veränderung aufgeschlossen. So. Aber hier in Nbg. waren immerhin ua Thermals, Les Reines Prochaines, Scream Club, The Coathangers, Men und einige mehr. Lydia Lunch kam in die Desi, Doro Pesch in den Hirsch. Boy kommen demnächst nach ER. Worse than Queer gibts am 21.1. im K4, mit Ex Best Friends und zwei anderen tollen Bands. Im Electrobereich tut sich überhaupt viel, im Folk, bei Singer/SongwriterInnen, im Jazz. Nur, die Aussenwirkung fehlt ein bisschen. Denn das gibt es auch, durch harte Arbeit, Selbstbewusstsein und with a little help from Music Industry: Es gibt die Liga der Ikonen: Immer noch Madonna, Shakira, Lady Gaga. Das hat allerdings mit dem gewöhnlichen Leben nix zu tun. Die Dinge, die angepackt werden sollten, spielen sich hier, vor Ort ab, im Musikverein, im Kunstverein, der MuZ, der Desi, meinetwegen im Hirsch. Es ist vielleicht nicht erstrebenswert, dass  Frauen in tendenziell konservativen Genres wie Industrial (Maria Zerfall) oder Black Metal (Darkened Nocturn Slaughtercult) spielen. Es sollte allerdings auch nicht unvorstellbar sein. Riot Grrrls haben sich in einer Umgebung durchgesetzt, die schon von Härte und Machismo geprägt war. Sie wollten nie die netten konsumorientierten Mädchen sein, die als Vorbilder nach wie vor extrem präsent sind. Das wisst ihr ja alles.

Riot Grrl Revisited bietet nun aufschlussreiche Interviews mit Jessica Hopper, Melanie Groß (übers Erwachsenwerde der Girls) und mit Kerstin und Sandra Grether (Parole Trixi). Maren Volkmann ist auf Spurensuche in den Nullerjahren. Julia Downes befasst sich zitategesättigt mit Geschichte und Vermächtnis der Bewegung und nebenbei unterschiedlichen Kulturen in den USA. Gudrun Ankele dokumentiert Manifeste und Geschichten feministischen Widerstands. Julia Gudzent berichtet aus ihrem eigenen Leben über Girls to the front und über die zu überwindenden Schwierigkeiten auf dem Weg, in a man´s world Konzerte zu organisieren. Dazu finden sich Themen wie Film, lyrics und Körperpolitik in diesem Sammelband. Mit Shut Up and Speak wird auch ein aktuelles Berliner Spoken Word Projekt vorgestellt.

Musik an sich ist nicht so wichtig. Musik machen, Konzerte organisieren, Flyer entwerfen, all das Tun und Netzwerken aber schon und Frauen sollten ein selbstverständlicher Teil davon sein. Riot Grrrl war und ist ein Anspruch auf Teilhabe, Selbstbestimmung und einiges Anderes mehr, wie unterschiedliche Ansichten darüber. Utopie sowieso. Zukunft kann nur gestaltet werden, wenn mensch ein paar Vorstellungen darüber hat, vielleicht beflügelt von Musik.

Hans Plesch für ZORES auf Radio Z, 3.1.2012