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Toralf Staud, Moderne Nazis                                                                        7.3.2006

 

KiWi, 2005 – 234 S., 8,95

 

Der Journalist Toralf Staud ist Redakteur der ZEIT  und hat ein Buch geschrieben, das für die meisten von Euch regelmässigen Z-HörerInnen wohl wenig Neues bietet.

Aber Ihr solltet es an alle Eure FreundInnen und Bekannten verschenken, an Eure Eltern oder Geschwister, die Nachholbedarf haben, was Neonazis, besonders von der NPD, angeht.

Das Buch ist als Taschenbuch bei Kiepenheuer und Witsch erschienen, kostet 8,95 € und heisst Moderne Nazis.

Toralf Staud hat sich schon lange mit diesem Thema beschäftigt. Er geht der Geschichte der NPD nach, besonders ihrem „zweiten Frühling“ nach dem Ende der DDR und der Wiedervereinigung und beschreibt ihre Verwandlung von einer reaktionären Altherrenpartei zu einer sozialrevolutionär aufgeputzten Maschine zur Machtgewinnung. Er zeigt, warum die derzeitige Verankerung in Parlamenten die NPD nicht notwendig entzaubert, ihr dagegen die Mittel zur Verfügung stellt, mit dem sie diesen natürlich unvollkommenen demokratischen Staat abschaffen will. Und er zeigt uns oft genug die wachsweiche Haltung der etablierten Parteien, besonders der Konservativen aller Schattierungen, die Gefährdungen so lange ignoriert, bis sie sich zu wenig durchdachtem Aktionismus hinreissen lassen: Beispiel NPD-Verbotsverfahren. Die Farce um die angeworbenen V-Männer wäre eine eigene Recherche wert. Es könnte ein bitterlustiges Buch werden.

Ziel der Rechten, der NPD und der mit ihnen lose verbandelten Kameradschaften ist bekanntlich zunächst die Schaffung sog. „National befreiter Zonen.“ Wie weit ihnen das gelungen ist, davon können Punx und andere IndividualistInnen besonders in vielen kleineren und mittleren Orten Ostdeutschlands ein Lied singen. Staud drängt, dieses Problem nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Es wäre Sache breiter Schichten der Bevölkerung, sich gegen die Nazis zu wehren, denn noch sind sie eine lautstarke Minderheit. Aber sie greifen geschickt Themen auf, die in der Luft liegen, sind auf einmal für Umweltschutz und gegen Globalisierung – natürlich aus altbekannt rassistischen Gründen. Aber sie verbergen ihre Ressentiments geschickter als früher hinter Thor Steinar- oder gar Che Guevara-T-Shirts und für Würdenträger, für die Ruhe erste Bürgerpflicht ist, geht das Problem weniger von den gepflegten jungen Menschen aus, die halt mal über die Stränge schlagen, als vielmehr von ihren Gegnern. Es muss nicht einmal eine schwarzvermummte Antifa sein.

Wegschauen ist aber keine Lösung, sehr verehrte Frau Landrätin, sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geschätzter Herr Polizeipräsident. Es wäre schön, wenn Nazianwesenheit geschäftsschädigend wären, denn dann würde der Kapitalismus schon Gegenkräfte entwickeln. So aber geht’s zu wie unlängst im beschaulichen Altdorf, wo Jungnazis behinderte Menschen niederknüppeln und niemand macht gross Aufhebens davon. Dankenswerterweise haben immerhin die Nürnberger Nachrichten darüber berichtet, aber die Hauptsorge der Stadtoberen galt dem befürchteten (Gegen-)Aufmarsch des Schwarzen Blocks. Wir können es aber eben nicht der Antifa überlassen. Mensch muss selbst aktiv werden. Und er darf nicht unvorbereitet den Nazis gegenübertreten, sonst blamiert er sich und schadet seiner Sache.

Es mag nicht viele intelligente Nazis geben – das ist für die NPD offenbar durchaus ein Problem – aber es gibt einige, die zumindest schlau sind. Mensch sollte sie mit dem nötigen Respekt behandeln und sie dann widerlegen. Ein Blick ins Parteiprogramm kann da nicht schaden – wer weiss, vielleicht werfen sie eines Tages sogar den Führer als Altlast über Bord.

Ihre Themen müssen kritisch selber wieder besetzt werden und wo sich rechte Jugendkultur breit macht, müssen Alternativen gefördert werden. Soweit Toralf Staud in seinem lesenswerten Buch über moderne Nazis. Ja, schickt es doch Eurem Abgeordneten oder dem Vereinsvorstand, bevor die Rechten ihn übernehmen.

 

Hans Plesch für ZORES auf Radio Z, 7.3.2006